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Der Briard

Der Briard

Die Herkunft - Der Briard zwischen gestern und morgen

aus dem 1. Zuchtbuch des „Club für französische Hirtenhunde e.V.“ von Ruth Oess
Die Geschichte des Berger de Brie ist tief eingebettet in die Historie des Schäferhundes schlechthin. Die Bezeichnungen Hirten-, Hüte-, Herden-, Treiberhunde werden wechselweise gebraucht und bezeichnen nicht immer streng differenziert seinen jeweiligen Gebrauch. Sie lassen aber gleichzeitig die Vielfalt erkennen, die den Dienst des Hundes kennzeichnet. Viele kynologische Forscher sind sich darin einig, daß der Hund des Hirten zunächst nur die Aufgaben hatte, Hirt und Herde vor Raubtieren wie Bär, Wolf, Luchs und Fuchs, sowie vor herumstreunendem Volk, vor Räubern oder missgünstigen Nachbarn zu schützen. Erst mit zunehmender Landaufteilung - in Frankreich etwa nach der Französischen Revolution - verlagerte sich die Aufgabenstellung vom reinen Schutz- und Wachdienst zur Hütefunktion. Der Hund sollte das Ausbrechen der Herde in fremdes Gelände verhindern, um den damit verbundenen Flurschaden vermeiden helfen. Darüber hinaus hatte er in schwierigem und gefährlichem Gelände (Hochgebirge, Felsenlandschaft, Schluchten, Moore usw.) das Zusammenbleiben der Herde zu gewährleisten. Diese neugestellten Aufgaben brachten auch Änderungen des Hundetyps mit sich. Es kam zu Kreuzungen und Züchtungen vorwiegend leichterer Hunderassen durch die Schäfer. Die Variationsbreite der heute bekannten Schäferhund-Rassen und -Typen hat zweifellos ihren Grund in diesem Wandlungsprozess. Interessant erscheint mir aber die Beobachtung, daß es noch in vielen Großregionen neben den kleineren Hütehunden die größeren Schutzhunde gibt, die dem Hirten mit verschiedener Aufgabenstellung zur Seite sind (Frankreich Pyrenäenschäferhund neben Pyrenäenberghund; Ungarn Puli neben Kommondor). Das war vor allem in besonders gefährdeten Gebieten der Fall und hat sich bis in unsere Tage erhalten. Diese Beobachtung könnte eine eigene Abhandlung werden. Von mehreren Fachleuten wird auch auf die interessante Tatsache hingewiesen, daß Hirtenhunde aus aller Welt ein hohes Maß an Gemeinsamkeit haben, sowohl in Bezug auf das Erscheinungsbild wie in Bezug auf Wesen und Verhalten.
So ist m.W. in unserem Klimakreis kaum ein glatthaariger Hütehund zu finden. Das Fell variiert vom Rauh- und Stockhaar bis zum Superbehang, etwa des Kommondors oder des Puli.
Etwa in der Mitte dieser Spanne finden wir den langhaarigen Briard, dessen Behang aber ebenfalls Varianten nach der einen oder anderen Seite aufweist. Natürlich wird er in der Vergangenheit kaum mit dem sorgsam gepflegtem Behang eines heutigen Ausstellungs- und Begleithundes konkurrenzfähig gewesen sein. Denn er war durch und durch Arbeitshund, der viele Strapazen zu durchstehen hatte, die nicht eben „fellfreundlich“ waren. Die vom Hund geforderten Eigenschaften waren vorwiegend:
Ausdauer, Wetterfestigkeit, Bedürfnislosigkeit, Herdentreue, Aufmerksamkeit, Wachsamkeit und Mißtrauen gegenüber allem Fremden und dem normalen Tagesablauf Zuwiderlaufendem.
Die vielen Hirtenhunden gemeinsame Eigenschaft des Umkreisens weist in die Jahrhunderte des Hütedasein zurück. Sie gewährt dem aufmerksamen Beobachter die aufregende Möglichkeit, eine Wesensprägung zu erleben, die sich durch Gebrauch und Zuchtwahl über große Zeiträume hinweg genetisch fixiert und erhalten hat. An diesen Zuchtergebnissen haben die Hirten vergangener Tage großen Anteil. Sie machten sich wohl die Eigenschaft der die Gehöfte und Siedlung umkreisenden Hunde zu eigen, indem sie sich bei der Einkreuzung solcher Hunde bedienten. Die Schulung durch den Schäfer vertiefte die Prägung.
Prof. Dr. Konrad Senglaub vertritt die Ansicht, daß diese speziellen Eigenschaften des Hütehundes nur durch züchterische und hundehalterische Bemühungen bewahrt werden können. In freier Wildbahn würde diese Eigenschaften bald verloren gehen. Das dürfte aber mit der Zeit auch für die Stadt-Haltung von Hunden zutreffen. Lassen wir uns also nach Möglichkeit auf unseren Spaziergängen weiterhin fröhlich umkreisen, indem wir uns als Schafherde fühlen.
Über den Ursprung der Hirtenhundrassen gibt es eine Fülle von Theorien und Hypothesen, die aber alles in alles deutlich machen, wie sehr kynologische Forschung teilweise noch im Dunkeln tappt. So wollen einige Forscher in dem Hirtenhund einen Nachfahren des sogenannten Bronze-Hundes sehen, was durch den Vergleich ausgegrabener Schädel bekräftigt sei.
Wer sich auf kynologische Forschungsreise begibt, muß des öfteren die enttäuschende Entdeckung machen, daß alte überlieferte Rassenbezeichnungen, die auch heute noch gängig sind, keine Gewähr für die Identität der damit bezeichneten Rasse von einst und jetzt bietet.
Die Kunst bietet mit Hundedarstellungen auf Gemälden, Wandteppichen und Kirchenfenstern, mit Plastiken, Buchmalerei und anderen Wiedergaben ein reichhaltiges Feld für Mutmaßungen und Vergleiche. Doch handelt es sich dabei um ein Informationsmaterial, das jedenfalls kritisch gesichtet und behutsam gedeutet werden sollte.
Natürlich heften sich an solche Darstellungen auch Geschichten und Geschichtchen, die aufregendes oder rührendes über den dargestellten Hund zu berichten wissen, aber meistens ins Reich der Legende führen. So soll Alberich von Montdidier im 12. Jahrhundert zu Ehren eines Briards eine Kathedrale errichtet haben. Dieser Hund habe seinem Sohn das Leben gerettet. Sogar Karl der Große soll schon Briard - Besitzer gewesen sein. Für diese Behauptung werden alte Gobelins herangezogen. Wen wundert es, daß tausend Jahre später auch Napoleon selbstverständlich Briards sein Eigen genannt haben soll.
Es ist ebenso amüsant wie liebenswert, Alter und Bedeutung der geliebten Hunderasse auf diese Weise bewiesen zu sehen. Und es ist nur zu verständlich, daß diese Liebe dabei gegenüber anderen Rasseliebhabern in den Triumph ausbricht: „Mein Hund ist älter und bedeutender als deiner!“
Aber wie gesagt: In nur wenigen Fällen sind solche Berichte und Deutungen verbürgt und als Historie anzubieten. Schon gar nicht bei den Schäferhundrassen, die niemals im Glanz des herrschenden Adels gestanden haben, wie Jagd- und Hetzhunde.
Der Name „Berger de Brie“ wird erstmals im Jahr 1809 erwähnt,
und zwar durch Abbe Rozier, der in seinem „Cours d´Agriculteur“ unter anderen Hunderassen auch den Briard benennt. Man muß aber wissen, daß er damit alle Hirtenhunde der Ebene bezeichnete, im Gegensatz zum Chien de Loup (Wolfshund), der als der „Matin“ des Mittelalters bekannt ist. Hinzu kommt, daß der Name „de Brie“ das Vorkommen dieses Hundes keineswegs auf die genannte Landschaft beschränkt, ja, daß er dort nicht einmal häufig anzutreffen gewesen sei. Für genauere Auskunft reichen aber solche Angaben nicht aus. Die Geschichte einer Rasse ist nur so weit präzise zurückzuverfolgen, wie es ernsthafte Zuchtbuchführung oder andere entsprechende Registrierung ermöglicht.
In dieser Hinsicht ist den Engländern viel zu verdanken. Von der Mitte des vorigen Jahrhunderts an bildete sich in England immer mehr eine planmäßige Hundezucht mit Zuchtbuchführung heraus. Mit der Gründung des Kennel Clubs von England im Jahr 1873 wurde auch das Hundestammbuch (Kennel Club Sud book) geschaffen, dessen 1. Band 1874 in Birningham mit 4027 Hunden, die in vierzig Klassen eingeteilt waren, erschienen.
Diese vorbildlichen kynologischen Bemühungen fanden bald Nachahmung in anderen Ländern. In Frankreich, das eine imponierende Tradition an Hundeliteratur aufzuweisen hat, erfolgte 1882 die Gründung der „Societe Centrale Canine pour l´Amelioration des Races de Chiens en France“, der Zentralverband zur Förderung der Hunderassen in Frankreich. Aus der Vereinigung der Liebhaber von französischen Schäferhundrassen um 1896 ging 1909 der Club der Briardfreunde hervor: Le club les Amis du Briard. Seine Gründung eröffnete uns heute die Möglichkeit, eine exakte „Ahnenforschung“ unseres Briards zu betreiben und die Zucht planmäßig und gezielt wahrzunehmen.
Verbunden mit diesen Clubgründungen war die Organisation von Hundeausstellungen in kleinerem und größerem Rahmen, meistens im Rahmen von Landwirtschafts- und Jagdausstellungen. Hierbei wurde in der Konkurrenz zunächst die Nützlichkeit betont; erst mit der Zeit gewann die Schönheitskonkurrenz den Platz, den sie heute durchweg einnimmt.
In der französischen kynologischen Forschung hat sich Pierre Megnin (1828-1905) große Verdienste erworben. Er begründete bereits 1885 die kynologische Zeitschrift „L`Eleveur“ (Der Züchter). Viele Beschreibungen und Abhandlungen stammen aus seiner Feder.
Im Briard sieht P. Megnin das Ergebnis einer Kreuzung zwischen dem Chien Berger Francais und dem Barbet (Zeichnung links). Ersterer dürfte mit dem Berger de Beauce identisch sein, letzterer mit dem Jagdpudel. Magnin bezieht sich des öfteren auf Buffon (1707-1788), in denen 36-bändigen Werk „histoire naturelle generale et particuliere“ auch eingehend der Hund behandelt und in Kupferstichen dargestellt wird. Sicher gilt Buffon hinsichtlich seiner Abstammungshypothesen weitgehend als überholt. Aber da bei ihm - im Gegensatz etwa zu Linne - die Naturbeschreibung überwiegt, ist er nach wie vor interessant und von großem Wert für die Kynologie.
Ich kann in diesem Zuchtbuch die Anstammungstheorie P. Megnins anhand zweier Kupferstiche aus Buffon beschreibt 1785 den „Chien de Berger“ (Zeichnung rechts) so:
Kurze aufrecht stehende Ohren, Schwanz waagrecht oder nach oben zurückgebogen, manchmal auch hängend. Das Fell ist lang und bedeckt den ganzen Körper mit Ausnahme der Schnauze und Außenseite des Beins, der unteren Beinpartie und der Fersen. Vorherrschende Farbe ist schwarz. Den abgebildeten Hund schildert er folgendermaßen: Am Hals grau, ebenso auf Brust und Bauch. Beine und Schwanz haben mehr gelb als schwarz. Auch finden sich gelbbraune Flecken über den Augen und ebensolche Färbungen auf der Schnauze. „Man nennt diese Rasse Chien de Berger, denn man gebraucht sie zur Bewachung der Herden“.
Über den Grand Barbet schreibt er: Er hat einen dicken und runden Kopf, breite und hängende Ohren, kurze Beine, gedrungenen und kurzen Körper. Die Stellung des Schwanzes ist fast horizontal, das Fell lang und am ganzen Körper gekräuselt, von einer Art, die es erschwert, die wahre Figur des Tieres sich vorzustellen, weil seine sämtlichen Körperpartien von einem buschigen Fell bedeckt sind. Vorherrschende Farben sind weiß und gelblich-weiß. Indessen gibt es auch rotgelbe, schwarze .... usw.
Mag die Abstammungsthese Megnins auch nicht unwidersprochen sein, rein optisch hat sie einiges für sich, wie Sie an den Bildern erkennen können. Paul Megnin, der Sohn von Pierre, ebenfalls Kynologe wie dieser, unterstreicht diese Hypothese mit der Bemerkung, daß der chien de Brie „ein wenig unserem alten Barbet oder dem Griffon ähnelt (Nos Chiens, 1923).
Der bekannte deutsche Schäferhundspezialist von Stephanitz (1863-1936) - Mitbegründer des „Verein für deutsche Schäferhunde“ (1899) - beschäftigt sich mit der allgemeinen Vorgeschichte des Schäferhundes eingehend. Auch er weist auf viele überraschende Gemeinsamkeiten der Hirtenhunde hin. Er stellt fest, daß dem Chien de Brie vor 170 Jahren vielfach noch der „Matin“ zugesellt worden sei, um ihn für die eigentliche Aufgabe des Hütens freizustellen. Diese Aussage unterstreicht die Betonung vieler anderer Kynologen (so auch Sedir), daß der Hütehund vor allem leicht und beweglich sein müsse, auf keinen Fall aber zu groß sein darf. Die Standartbegrenzung der Höhe hat hierin ihren historischen Grund.
V. Stephanitz unterscheidet den rauhaarigen und den zottehaarigen Briard und schließt folgende Hypothese an: „Da die zottehaarigen Briards nicht unerheblich größer sind als die rauhaarigen, stellen erstes wohl, entsprechend unseren Altdeutschen, die Reste des altfranzösischen Schäferhundes dar. Während die kleineren, Rauhaarigen vielleicht auf die Einkreuzung von Beauceronblut zurückzuführen sind.
Verstand und Zuverlässigkeit wird bei ihnen besonders gerühmt (Der Deutsche Schäferhund in Wort und Bild von Stephanitz-Grafrath, II. Teil, 1909).
The Kennel Encyclopedia des Britischen Kennel Club (1908) enthält einen Artikel von Henry Sodenkamp über französische Schäferhunde. Der Verfasser weist darauf hin, daß die Briards vor allem in den Ebenen der Somme und der Beauce - aber nur selten in der Brie - zu sehen sei. Er übernimmt die These, daß es sich beim Briard um eine sehr alte Rasse handle. Er vermerkt ein wachsendes Interesse am Briard, der seit 1896 immer mehr als Showdog ins Blickfeld rücke. Seine Wertschätzung drücke sich auch in den hohen Preisen für diese Rasse aus. Die Rasse sei in den letzten Jahren (also um die Jahrhundertwende) sehr verbessert worden. Seltsam sei es allerdings, daß die beste Zucht in Belgien zu finden sei. Sodenkamp nennt den stärksten Zwinger „La Hulpe“ der Madame Verlinde (mit großer Wahrscheinlichkeit stellt die in meinem Besitze befindliche Lithographie „tete de briard“ einen Hund aus diesem berühmten Zwinger dar. Ich fand sie in Brüssel). Die für uns heute bedeutsame Informationsquelle stellt zweifellos das Buch von Sedir (Pseudonym von Yvon le Lou, 1871-1926) dar; Le Berger de Brie, chien de France (1926, wieder auf-
gelegt 1978). Eine deutsche Übersetzung des Buches wäre dringend zu wünschen. Es enthält unter vielen anderen Beschreibungen, Erfahrungen, geschichtliche Anmerkungen zum Thema Briard, auch die Standardentwicklung von 1897 bis 1978. In diesem Standard, die in unregelmäßigen Zeitabständen überarbeitet und als verbindlich aufgestellt wurden (1897 - 1909 - 1925 -1978), wird die Bemühung deutlich, die historisch überlieferte
Eigenart des Hundes gegen ausgesprochene Modeströmungen zu schützen (etwa gegen den Wunsch, seine Größe anzuheben).
Das heutige Erscheinungsbild soll am Urbild des im Hütedienst eingesetzten Briards orientiert sein. Somit dient der Standard auch einer ersthaften Traditionspflege, die ein ganz besonderes Maß an Interesse und Verständnis fordert. Dies läßt einzelne Beschreibungen des Briards besonders informativ erscheinen. Beispielsweise, daß es im oberen Becken der Garonne einige Briards von kleiner Höhe (50 cm Schulterhöhe) gegeben habe, die natürliche Stehohren hatten (C. Leseble). Und Sedir bezieht sich auf die Beobachtung eines bekannten Richters (M. Sauvage), der in der Brie vielen kleinen und feurigen Briards begegnet sei, mit natürlichen Stehohren und von gelber Farbe.
Wie unterschiedlich der Typus der Berger de Brie zur damaligen Zeit war, zeigen zwei Abbildungen in diesem Buch. Sie bilden ein Stück illustrierter Briardgeschichte: 1863 wird der Briard auf der ersten Hundeausstellung in Frankreich gezeigt. Meine Tochter hat in Paris eine sehr seltene Lithographie ausgestöbert, die einen braungefärbten Hund mit dem Namen „Charmante“ zeigt. Eine Kopie diese Bildes überbrachte ich dem Präsidenten des Französischen Clubs. Es löste besondere Überraschung aus, weil als bisher bekanntes frühestes Bild das ebenfall abgebildete von „Sans-Gene“ galt, die zwei Jahre später (1865) von M. Gersent ausgestellt und von Pierre Megnin gezeichnet worden war.
Sedir stellt ausdrücklich fest, daß „seit 40 Jahren“ (also seit ca. 1880) die Züchter bemerkenswerte Verbesserungen in der Zucht erreicht hätten. Seit dieser Äußerung sind bis heute wiederum 50 Jahre vergangen. Seit der Gründung des „Club für französische Hirtenhunde“ ist natürlich auch das deutsche Interesse an der Briard-Geschichte gewachsen. Zwar ist eine große Flut von Hundebüchern zu verzeichnen, aber nur wenig eigenständige Forschung. Vieles wird einfach abgeschrieben und unkritisch übernommen. Da weiß ein sehr dekorativ ausgestattetes großes Hundebuch unter dem Stichwort „Briard“ erstaunliches zu berichten:
„Im Laufe der Jahrhunderte ist dem Briard sicher das Blut vom Deerhound (!), vom Barbet und vom Griffon zugeführt worden. Bis zur Trennung der beiden Rassen haben häufige Kreuzungen mit dem Beauceron stattgefunden“.

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